Studie empfiehlt weniger bildgebende Untersuchungen bei fiebrigen Harnwegsinfektionen im Kleinkindalter

NEW YORK (Reuters Health) - Die Vorteile eines selektiveren Vorgehens bei der Bildgebung des Harnwegstraktes nach einer erstmaligen fiebrigen Harnwegsinfektion bei Kindern überwiegt die Risiken, so eine Gruppe von Ärzten, die in ihrer eigenen Einrichtung eine restriktivere Strategie eingeführt haben.

Die Vorteile umfassen neben deutlich selteneren Miktionszystourethrographien und geringerem Einsatz prophylaktischer Antibiotika auch weniger Stress und Belastung für die Familie.

Zudem könne dies ohne zusätzliche Infektionsrezidive innerhalb von sechs Monaten erreicht werden. Auch die Entdeckung von hochgradigem vesikoureteralem Reflux werde nicht beeinträchtigt, sagen die Mediziner.

Dr. Alan R. Schroeder und seine Kollegen vom Santa Clara Valley Medical Center in San Jose, Kalifornien, berichten im Fachblatt "Archives of Pediatricsand Adolescent Medicine" von ihren Beobachtungen.

Im Jahr 1999 wurden Hinweise auf eine enge Beziehung zwischen fiebrigen Harnwegserkrankungen und Anomalien des Harntrakts bei Säuglingen und Kleinkindern beobachtet. Dies veranlasste die American Academy of Pediatrics zu dem Ratschlag, dass Säuglinge und Kleinkinder bis zwei Jahre nach einer ersten fiebrigen Harnwegsinfektion einer Ultraschalluntersuchung und einer Miktionszystourethrographieunterzogen werden sollten, schreiben sie.

Für diejenigen mit auffälligen Befunden, insbesondere bei vesikoureteralem Reflux, wurde eine Antibiotika-Prophylaxe empfohlen.

Im Jahr 2007 empfahl das United Kingdom National Institute forHealthand Clinical Excellence (NICE) eine selektivere Vorgehensweise, die auf dem Alter und Risikofaktoren basiert.

Nachdem sie sich zuvor an die Richtlinien der American Academy of Pediatricsgehalten hatten, führte Schroeders Team in Anlehnung an die NICE-Richtlinien einen selektiveren Ansatz ein.

Ihr Algorithmus sieht eine renale Ultraschalluntersuchung in den meisten Fällen vor und beschränkt die Miktionszystourethrographie auf Kinder mit den folgenden Risikofaktoren:

  • mit Bakteriämie einhergehende Harnwegsinfektion
  • unzureichendes Ansprechen der Harnwegsinfektion auf Antibiotika innerhalb von 48 Stunden
  • Pathogen ist nicht Escherichia coli
  • schlechter Harnfluss
  • erhöhte Serum-Kreatininwerte
  • tastbare Raumforderung in Abdomen oder Becken
  • anomaler Befund im Nierenultraschall

Von der routinemäßigen Prophylaxe mit Antibiotika wird bei diesem selektiven Ansatz abgeraten.

Schroeders Team verglich die Outcomes von 98 Kindern, die von September 2006 bis August 2007 (Zeitraum 1) nach dem alten Verfahren behandelt worden waren mit den Outcomes von 103 Kindern, die zwischen September 2008 und August 2009 (Zeitraum 2) nach dem selektiven Algorithmus behandelt wurden. Alle Kinder waren unter zwei Jahre alt und hatten zum ersten Mal eine fiebrige Harnwegsinfektion.

Nach Einführung des neuen Algorithmus wurden merklich weniger Miktionszystourethrographien durchgeführt, die Rate sank von 99 auf 13 Prozent. Auf unnötige Miktionszystourethrographien zu verzichten, so die Mediziner, habe viele Vorteile, da es sich um ein ?invasives, schmerzhaftes und teures Verfahren handelt, das mit einem Bestrahlungsrisiko einhergeht?.

Die Rate an renalen Ultraschalluntersuchungen fielvon 99 Prozent in Zeitraum 1 auf 67 Prozent in Zeitraum 2. Auch der Einsatz prophylaktischer Antibiotika nahm merklich ab; 95 Prozent der Kinder in Zeitraum 2 erhielten nie welche.

Zudem, so die Forscher, seien in beiden Zeiträumen gleich viele Fälle von hochgradigem vesikoureteralem Reflux entdeckt worden (3 vs.2 Fälle). In Zeitraum 2 gab es keine Fälle von geringgradigemvesikoureteralem Reflux, verglichen mit 19 Fällen in Zeitraum 1. Die Entdeckung eines geringgradigenvesikoureteralen Refluxes führe oft zu unnötigen bildgebenden Untersuchungen, oft mit weiteren Miktionszystourethrographien, schreiben die Autoren.

Basierend auf ihren Erfahrungen, empfehlen Schroeder und Kollegen, dass "Ärzte ruhig überlegter an die Bildgebung bei Harnwegsinfektionen herangehen können".

Die Autoren eines begleitenden Kommentares weisen darauf hin, dass fiebrige Harnwegsinfektionen zu den häufigsten ernsthaften bakteriellen Erkrankungen bei Säuglingen und Kleinkindern gehören und dass der Einfluss verschiedener Bildgebungsmodalitäten und Behandlungsstrategien auf den Langzeitverlauf weiterhin unklar sei.

Dr. Ian K. Hewitt vom Princess Margaret Hospital forChildren, Perth, Australien, und Dr. Giovanni MontinivomAziendaOspedalieroUniversitariaSant'Orsola-Malpighi, Bologna, Italien, stimmtenSchroeders Team zu, dass die Vorteile eines selektiven Bildgebungs-Ansatzes die Risiken überwiegen würden.

Hewitt und Montiniwarnen jedoch, dass die Studie retrospektiv gewesen sei und sich mehr auf den Reflux als auf die Narbenbildung fokussiert habe. Außerdem seien polymikrobielle Urinkulturen im Allgemeinen als echte Harnwegsinfektionen behandelt und akzeptiert worden, während Infektionsrezidive innerhalb von sechs Monaten nur einen kurzfristigen Outcome widerspiegelten.

Sie merken auch an, dass die Compliance mit einem selektiven Ansatz nur als "recht anständig" angegeben worden sei, während die Compliance beim Algorithmus der American Academy of Pediatricsbei 100 Prozent liege.

Es fehle ein Konsens über den optimalen Untersuchungsansatz und das folgende Management der fiebrigen Harnwegsinfektion, so Hewitt und Montini. "Weitere prospektive randomisierte kontrollierte Studien werden hoffentlich zu einer weiteren Verringerung unnötiger bildgebender Untersuchungen und verbesserten Outcomes führen", schlussfolgern sie.

Quelle: Arch PediatrAdolesc Med. 2011;165(11):1027-1032.