Auch die Inkontinenz am Tage könnte erblich sein

NEW YORK (Reuters Health) - Sowohl die Harninkontinenz tagsüber als auch das nächtliche Einnässen könnten eine genetische Komponente haben, wie sich in einer großen neuen Studie herauskristallisiert hat.

Während bereits bekannt war, dass die Enuresis nocturna teilweise erblich ist, hatten bislang nur wenige Forschungsarbeiten Gene mit der Blasenkontrolle am Tage in Verbindung gebracht.

Die am 21. April im Journal of Urology publizierte neue Studie deutet darauf hin, dass Kinder drei- bis zehnmal häufiger an schwerer Inkontinenz tagsüber leiden, wenn die Eltern als Kinder ebenfalls daran erkrankt waren.

Prof. Alexander von Gontard vom Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg und seine Kollegen analysierten die Daten von mehr als 8000 britischen Kindern aus der Avon Longitudinal Study of Parents and Children. Die Eltern gaben in Fragebögen Auskunft darüber, ob sie nach dem fünften Lebensjahr noch an nächtlicher oder Tagesinkontinenz gelitten hatten. Die Daten der Kinder wurden im Alter von siebeneinhalb Jahren erhoben.

Insgesamt waren 15,5 Prozent der Kinder Bettnässer und 7,8 Prozent litten tagsüber an Inkontinenz.

Schwere Fälle nächtlicher Enuresis, definiert als zwei oder mehr Vorfälle pro Woche, lagen bei 2,6 Prozent der Kinder vor. Ein Prozent der Kinder litt an schwerer Inkontinenz tagsüber.

Die Wissenschaftler um von Gontard entdeckten signifikante Muster, als sie die Inkontinenzraten von Eltern und Kindern verglichen. Wenn Mutter oder Vater als Kind zweimal oder öfter pro Woche in der Nacht eingenässt hatten, stieg die Wahrscheinlichkeit, dass auch ihr Kind an einem schweren Fall der Erkrankung litt um das 3,63-Fache (Mutter) oder das 1,85-Fache (Vater) (beide p<0,001)

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind an Inkontinenz tagsüber litt, stieg um das 3,28-Fache, wenn die Mutter als Kind ähnliche Probleme gehabt hatte (p = 0.005) und um das 10,1-Fache, wenn der Vater früher an Inkontinenz tagsüber gelitten hatte (p < 0.001).

"Die Evidenz für einen familiären Zusammenhang bei Harninkontinenz am Tage ist ein wenig neuer als für das nächtliche Einnässen, aber auch nicht vollkommen neu", sagte Dr. John S. Wiener, Leiter der pädiatrischen Urologie am Duke University Medical Center, gegenüber Reuters Health in einer E-Mail.

Frühere Studien haben nicht nur bestimmte Umweltfaktoren mit einigen Untergruppen der Harninkontinenz in Verbindung gebracht, sondern auch auf genetische Risiken für Blasenentleerungsstörungen, Giggleinkontinenz und Dranginkontinenz hingedeutet.

Doch "viele Fakten zur Heritabilität von Harninkontinenz fehlen noch", berichten die deutschen Wissenschaftler.

Dr. Wiener, der selbst nicht an der Studie beteiligt war, merkte an, dass die aktuelle Studie einigen Einschränkungen unterliege, wie zum Beispiel der niedrigen Rate an schwerer Inkontinenz und die Möglichkeit eines Bias bei den Eltern, die versuchen mussten, sich an ihre eigenen Probleme als Kinder zu erinnern.

"Auf das Management der betroffenen Patienten werden diese Erkenntnisse wohl keinen großen Einfluss haben", ergänzte er. "Es könnte den Kindern jedoch helfen, wenn man ihnen sagt, dass sie mit diesem Problem nicht allein sind und selbst ihre Eltern als Kinder dasselbe Problem hatten."

Dennoch sollte die Erkrankung immer ernst genommen werden, da sie "für Kinder beschämend und belastend sein und das Selbstbewusstsein und die normale Sozialisation negativ beeinflussen kann".

Quelle: J Urol. 2011 Jun;185(6): 2303-07