Nierenzellkrebs betrifft häufig ältere Menschen. Auch wenn die Entstehung noch nicht gänzlich verstanden ist, weiß man, dass eine fächerübergreifende Behandlung für die optimale Versorgung von Betroffenen unabdingbar ist.
Die Niere - Grundlagen

Die Niere ist ein paariges Organ und liegt hinter dem Bauchfell. Über die Nierenarterie wird das noch zu filternde Blut in die Niere transportiert - insgesamt 1.200 ml jede Minute. Ungefähr alle 5 Minuten wird das gesamte Blutvolumen eines Menschen einmal gesäubert. Die Filtration des Bluts findet in kleinen Gefäßknäulchen, den sogenannten Glomeruli, statt. Bei der Reinigung des Bluts werden nicht nur Abfallprodukte des Stoffwechsels und gegebenenfalls Medikamente ausgeschieden, sondern auch der Flüssigkeitshaushalt, Salzhaushalt sowie der Säure-Base-Haushalt unseres Körpers reguliert. Dies findet unter anderem im Gangsystem (Tubulussystem) der Niere statt, welches das Gefäßknäulchen mit dem Nierenbecken verbindet. Der Harn wird schließlich im Nierenbecken gesammelt und über den Harnleiter zur Harnblase transportiert. Darüber hinaus hat die Niere Anteil am Vitamin-D Stoffwechsel und produziert ein Hormon, welches die Blutproduktion anregt. Die Nierenfunktion ist daher für das Leben unerlässlich.
Häufigkeit des Nierenzellkrebs
In Deutschland erkranken insgesamt 16.000 Menschen pro Jahr an einem Nierenzellkarzinom. Die Tendenz ist derzeit leicht steigend. Männer sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Männer erkranken im Mittel mit 68 Jahren und Frauen mit 71 Jahren. Somit stellt das Nierenzellkarzinom die 6. häufigste Krebsneuerkrankung bei Männern und die 10. häufigste Krebsneuerkrankung bei Frauen in der deutschen Bevölkerung dar.
Risikofaktoren
Der häufigste bösartige Tumor der Niere ist das sogenannte klarzellige Nierenzellkarzinom (RCC). Das klarzellige Nierenzellkarzinom entsteht häufig aus dem anfänglichen Gangsystem (proximalen Tubulus). Insgesamt sind aber über 50 verschiedene bösartige Tumore der Niere bekannt. Weshalb die Zellen anfangen unkontrolliert zu wachsen, angrenzendes Gewebe zu infiltrieren und Fernabsiedlungen (sog. Metastasen) zu bilden, ist noch unklar.

Beim Nierenzellkarzinom gibt es angeborene genetische Risikofaktoren, welche unabänderlich sind. Wenn ein erst- oder zweitgradiger Verwandter an einem Nierenzellkarzinom erkrankt ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit 2 bis 4 mal so hoch, selbst an einem Nierenzellkarzinom zu erkranken. In seltenen Fällen ist das Nierenzellkarzinom auf Veränderungen eines einzelnen Gens zurückzuführen, wie beispielsweise beim Hippel-Lindau-Syndrom. Neben den genetisch bedingten Risikofaktoren gibt es erworbene Risikofaktoren. Hierunter zählen Rauchen, Bluthochdruck und Übergewicht. Ein Funktionsverlust der Niere im Endstadium (terminale Niereninsuffizienz) stellt ebenfalls einen Risikofaktor für die Entstehung eines Nierenzellkarzinoms dar.
Diagnose des Nierenzellkrebs
Jedes zweite Nierenzellkarzinom wird zufällig im Rahmen einer bildgebenden Untersuchung entdeckt. Falls der Verdacht auf ein Nierenzellkarzinom besteht, können die Nieren mittels einer Ultraschalluntersuchung leicht beurteilt werden. Ein erfahrener Arzt kann in über 90 Prozent der Fälle ein Nierenzellkarzinom von einer einfachen Zyste der Niere unterscheiden. Zur genaueren Beurteilung der Ausbreitung des bösartigen Tumors wird anschließend eine Computertomographie (CT) veranlasst. Unter bestimmten Umständen kann eine Gewebeentnahme aus dem Nierenzellkarzinom mit einer Hohlnadel (Biopsie) zur weiteren Therapieplanung notwendig werden. Ergänzend erfolgt eine Röntgenuntersuchung des Brustkorbes, um nach Fernabsiedlungen in der Lunge zu suchen. Bei Verdacht auf Fernabsiedlungen im Knochen wird eine Skelettszintigraphie empfohlen.

Symptome
Das Nierenzellkarzinom ist anfangs häufig symptomlos bis symptomarm. Teilweise klagen Betroffene über unspezifische Beschwerden wie anhaltende Müdigkeit, ungewollten Gewichtsverlust oder Nachtschweiß. Bei Fortschreiten der Erkrankung können Blut im Urin oder Flankenschmerzen auftreten. Das Nierenzellkarzinom kann im fortgeschrittenen Krankheitsstadium Fernabsiedlungen in Lunge, Knochen, Leber und Gehirn bilden. Im Falle einer Absiedlung im Knochen können unter anderem Knochenschmerzen entstehen.
Nierenzellkarzinom - Therapiemöglichkeiten
Bei Erstdiagnose befindet sich das Nierenzellkarzinom bei den meisten Patienten in einem auf die Niere lokal begrenzten Stadium. Der aktuelle Goldstandard beim Nierenzellkarzinom ist immer die komplette operative Entfernung des Tumors, je nach Stadium mitsamt der gesamten Niere und gegebenenfalls umliegender Strukturen. Selbst wenn das Nierenzellkarzinom bereits Fernabsiedlungen gebildet hat, welche in Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen noch chirurgisch entfernt werden können, ist die Operation das Mittel der ersten Wahl. Nach einer kompletten operativen Entfernung ist keine weitere Medikamenteneinnahme mehr notwendig. Aufgrund der Möglichkeit des Wiederauftretens des Nierenzellkarzinoms (Rezidiv) müssen regelmäßig Nachsorgetermine wahrgenommen werden.
Falls das Nierenzellkarzinom aufgrund der lokalen Ausbreitung oder der Fernmetastasierung nicht mehr komplett entfernt werden kann, ist eine medikamentöse Therapie notwendig. Bei Patienten in gutem Allgemeinzustand kann dennoch über die operative Entfernung der betroffenen Niere nachgedacht werden.
Es hat sich gezeigt, dass das Fortschreiten der Fernabsiedlungen bei Entfernung des Haupttumors ausgebremst wird. Konventionelle Chemotherapeutika sowie eine Bestrahlung zeigen beim Nierenzellkarzinom wenig Wirkung. Daher sind im fortgeschrittenen und metastasierten Stadium der Erkrankung zielgerichtete Therapien (targeted therapies) notwendig.
Wie auch die gesamte Niere, ist das Nierenzellkarzinom häufig sehr gut durchblutet. Die kontinuierliche und hohe Blutversorgung lässt das Nierenzellkarzinom wachsen. Bei den zielgerichteten Therapien wird die Gefäßneubildung im Nierenzellkarzinom gehemmt. Der bösartige Tumor wird nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt und als Folge „hungert“ der Tumor - das Fortschreiten der Erkrankung wird verlangsamt. Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Aktivierung des eigenen Immunsystems durch sogenannte „Checkpointinhibitoren“ zur Bekämpfung des Nierenzellkarzinoms.
Vorsorge
Aktuell wird in Deutschland keine spezielle Vorsorgeuntersuchung zur frühzeitigen Erkennung eines Nierenzellkarzinoms für die Allgemeinbevölkerung empfohlen.